Seit mehr als neun Jahren gibt es nun den Jakobsweg von Rothenburg ob der Tauber nach Speyer, und er erfreut sich wachsender Beliebtheit. Es ist ein spiritueller Pilgerweg, führt durch zauberhafte Landschaften, zu idyllischen Fleckchen Erde und zeigt dem Pilger die ganze Größe und Schönheit der Schöpfung. Seit einigen Jahren treffen sich die Kolpingsfamilien des Bezirks Wiesloch an einem Wochenende im Frühling, um gemeinsam ein Stück des Weges zu gehen zusammen mit dem Initiator des Weges, dem ehemaligen Mühlhäuser Pfarrer Manfred Tschacher, heute Leiter der Seelsorgeeinheit Eppingen. In diesem Jahr führte der Jakobsweg die Pilgerschar vom Kloster Schöntal über Berlichingen nach Jagsthausen. Der Weg ist eingebettet in eine herrliche, alte Kulturlandschaft an der Jagst, die sich an diesem Tag – nachdem sich die Nebelbänke im Tal verzogen hatten – in der strahlenden Frühlingssonne präsentierte.
Ausgangspunkt der Wanderung war die bedeutende barocke Klosteranlage von Schöntal, wo die Mönche des Klosters im Mittelalter die Kulturlandschaft durch Trockenlegung der Auen, durch Anlegen von Gärten und Weinbergen geprägt haben. Im Chor der Basilika erfuhren die Pilger durch Pfarrer Tschacher alles Wissenswerte. Berlichingen ist der Ursprungsort der Herren von Berlichingen, deren berühmtester Vertreter Götz von Berlichingen war. Hier im Kreuzgang von Kloster Schöntal ist er beigesetzt. In Jagsthausen, dem Ziel der diesjährigen Pilgerwanderung, betreiben seine Nachfahren drei Schlösser und die bekannten Festschauspiele.
Hier im Jagsttal haben die Menschen gestaltend, aber positiv, in die Natur eingegriffen und eine faszinierende Kulturlandschaft geschaffen. Deshalb lag für die Kolpingsfamilien der Gedanke nahe, sich auf dem Pilgerweg in Meditationen, Gebeten und Liedern mit dem Thema „Schöpfung bewahren” auseinanderzusetzen. In den Gedanken ging es zunächst um das Thema „Das Wunder der Schöpfung”. Sie beginnen damit, dass jeder einzelne sensibel wird für die Kräfte der Natur, diese mit allen Sinnen neu entdeckt und achtsam für die Umwelt wird. Mit der Aussendung der Pilger im Chorraum der Basilika begann der Weg durch das Jagsttal mit seinen vielen Schleifen. Angeführt von den Bannern der Kolpingsfamilien aus Brühl, Hockenheim, Ketsch, Mühlhausen, St. Leon und Wiesloch bewegte sich der Pilgerzug immer den Jakobsmuscheln folgend der Jagst entlang.
Bald erreichte man Berlichingen, den Heimatort des Götz von Berlichingen, und die Pfarrkirche St. Sebastian. Dort widmete man sich dem Thema „Erhaltung der Vielfalt der Schöpfung – insbesondere des Regenwalds”. In den Betrachtungen wurde deutlich, welch große Bedeutung die Regenwälder für unser Klima haben und wie mit ihrer Abholzung letztlich die Gefahren der Erderwärmung und der Versteppung der Erde größer werden. Nachdenklich stimmte auch, wie viel „Regenwald in unseren Einkaufskörben steckt”. So sollte man bei Regenwald-Produkten wie Kaffee, Kakao und tropischen Früchten darauf achten, dass diese fair gehandelte Bio-Produkte sind. Erzeugnisse aus Palmöl sollte man ganz meiden, da riesige Regenwälder gerodet werden, um Palmöl zu erzeugen.
Schließlich erreichten die Pilger Jagsthausen, kein besonders großer Ort, jedoch mit einer lebendigen Geschichte, die bis in die Zeit der Römer reicht. Unterwegs begegnete man noch Teilen des Limes, der römischen Grenzbefestigung sowie den Mauerresten eines römischen Bades. Bereits von weitem ist der achteckige, von einem spätbarocken Dach gekrönte Turm der evangelischen Jakobuskirche zu sehen. Dort war das Ziel der Pilgerschaft. Auf der Brüstung der Empore findet sich auch der Pilgerapostel Jakobus mit Wanderstab und Jakobsmuschel. In dieser Kirche stand der Gründer der Kolpingsfamilie, Adolph Kolping im Mittelpunkt der Betrachtungen, vor allem sein Aufruf, den Worten Taten folgen zu lassen. Entsprechend dem Vorbild Adolph Kolpings sei beim Schutz der Natur Handeln gefragt, wenn es darum geht, einen „wertvollen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen”, den Blick auf die Nachhaltigkeit zu legen, sich von der Wegwerfgesellschaft zu distanzieren, sich in der Öffentlichkeit für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen, vor allem durch Handeln. Nach dem Kolpingslied ging man über zum gemütlichen Teil des Tages mit einem gemeinsamen Essen. Zugleich verabredeten sich die Kolpingsfamilien des Bezirks Wiesloch, den Weg in Richtung Speyer im Frühling 2019 fortzusetzen.
Rudi Kramer